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Humoristischer Bundesligarückblick 2006/07 - Den Oscar für vergebene Chancen

02.06.200716:07 UhrFreizeit, Buntes, Vermischtes

(openPR) Man muss schon sehr vorsichtig sein mit Prognosen und Expertisen in diesem täglich, manchmal stündlich, ach, minütlich sich wandelnden Geschäft namens Fußball.

Manchmal denkst du: „Klasse, gleich Champions-League-Sieger...“ - Und dann kommen Sheringham und Solskjaer und belehren dich eines Besseren. Manchmal feierst du den Titelgewinn sogar schon in der Halbzeitpause. Und auf einmal stemmt Steven Gerrard den begehrten Pott an dessen silbrigen Ohren in die Höhe. Manchmal denkst du, du wärst endlich Deutscher Meister. Und plötzlich läuft da in Hamburg noch ein Spiel im Hintergrund.



Erwarte das Unerwartete!

Der Fußball hätte ihn mal verdient, den Oscar, für das beste Drehbuch und die beste Regie. Aber wen sollte man auch zur Preisverleihung schicken? Das Schicksal, dieses unmenschliche Grauen? Sepp Blatter, diesen grauenvollen Menschen?

Also verwerfen wir den Gedanken mit dem Oscar schnell wieder. Als Fußball-Fan weiß man auch ohne Auszeichnungen um den unschätzbaren Wert seiner Leidenschaft. Erwarte das Unerwartete. Das gilt zwar nicht für den FC Bayern, macht aber doch – oder gerade deshalb – den Reiz der Bundesliga aus.

Wozu brauchen wir noch das Heer aus Experten, wenn am Ende der VfB Stuttgart Deutscher Meister wird und der „Glubb“ den Pokal holt? Wahrscheinlich haben sich jene Fachleute Konrad Adenauer als Klingelton gezogen. Und immer, wenn das Handy bimmelt ertönt die Stimme des Altbundeskanzlers in nachbearbeiteter polyphoner Qualität: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ Mit diesem Freibrief lässt es sich dann gut drauflos experteln.

Dann fallen eben schon mal Sätze wie: „Zum Titel führt kein Weg an Werder Bremen vorbei!“ Am Ende stimmte diese Aussage sogar wieder. Vier Punkte Rückstand sind eine ganze Autobahn.

Prognosen ohne Insiderwissen

Der Fußball besteht im 21. Jahrhundert nicht mehr aus Nostalgie und Anekdoten. Elf Freunde waren vor Vorvorgestern, einer Zeit, die vielen Experten vorkommt, als wäre sie erst gestern gewesen. Die Karten sind neu gemischt worden. Am Pokertisch sitzen Trainertypen, wie Armin Veh, Thomas Schaaf, Jürgen Klopp, Petrik Sander, auch Thomas Doll und andere gehören dazu. Die lassen sich nicht mehr so einfach in ihr Blatt schauen.

Dadurch fischen Experten im Trüben. Viele Prognosen fußen auf verstaubten Erfahrungswerten, mit denen man in dieser Pokerrunde keinen Stich mehr machen würde. Es ist letztlich immer noch am besten, die Protagonisten zu Wort kommen zu lassen. Da ist die Fehlerquote einfach geringer.

Abgerechnet wird am Ende

Mirko Slomka am 32. Spieltag nach dem knappen 1:0-Sieg gegen Nürnberg: „Es wird ein richtig hartes Ringen um den Titel. Wer die Schale haben möchte, der muss auch darum kämpfen.“

Roberto Hilbert am selben Tag: „Warum sollen wir nervös werden? Wir haben uns das die ganze Saison erarbeitet. Wir haben ein sehr großes Selbstvertrauen und sind motiviert bis oben hin. Wir sind eine Mannschaft, ein Team. Das zeigen wir Woche für Woche auf dem Platz. So wird es auch weitergehen.“

Mirko Slomka eine Woche später nach der 0:2-Pleite im Derby gegen den BVB: „Das ist natürlich schwer, jetzt noch daran zu glauben, dass man es noch schaffen kann.“

Armin Veh am selben Tag: „Abgerechnet wird am Ende. Es waren ja schon ein paar Vereine in dieser Saison Deutscher Meister, dann waren sie’s wieder nicht. Deshalb: 34. Spieltag, dann steht der Deutsche Meister fest.“

Besser kann man den Versuch, das Unvorhersehbare vorherzusehen, gar nicht konterkarieren.

Verdammte Jugend!

Ach so, die Bayern. Die dürfen nun erst mal nicht mehr mit den Großen zusammen im goldenen Sandkasten spielen. Eine gewöhnungsbedürftige Situation, schließlich gab es das zuletzt nach der Saison 94/95. Doch wenigstens sind die Schuldigen gefunden. Die Jugend ist eben auch nicht mehr das, was sie beim FC Bayern noch nie gewesen ist.

„Wir waren uns alle im Klaren, dass es ein schwieriges Jahr wird“, hatte Uli Hoeneß am Ende der Saison erklärt, den Blick in die Ferne auf dahinschwimmende Felle gerichtet. „Wir wollten den Umbruch machen. Wir wollten den jungen Spielern eine Chance geben sich zu entwickeln, Ihnen die Chance geben, das Ding alleine rum zu reißen. Das ist absolut misslungen. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln. Wir werden unsere Politik verändern. Die Jungen hatten ihre Chance!“ Rumms!

Aber halt! Welche Chance meint der Bayern-Manager wem so großzügig gewährt zu haben? Lukas Podolski? Zugegeben, der Kölner brillierte konstant elegant in Werbesports und Computerspielen, weniger auf dem Platz. Aber musste ihm deshalb der Steinzeitpsychologe Magath durch wochenlanges Bankdrücken unbedingt Spielfreude und Selbstbewusstsein rauben?

Meinte Hoeneß das 26-Jährige Berufstalent Roque Santa Cruz? Jenes fleischgewordene Verletzungspech, das seit acht Jahren auf den passenden Moment wartet, sein unbestrittenes Talent auch endlich mal zu zeigen?

Stefan Maierhofer? Bei dem mit elf Toren erfolgreichsten Stürmer der FCB-Reserve reichte Hoeneß' Geduld für insgesamt 13 Profi-Saisonminuten in zwei Kurzeinsätzen, ehe er nach Koblenz verhökert wurde.

Meinte Hoeneß Bastian Schweinsteiger, zu einem Zeitpunkt, als klar war, was den Mittelfeld-Star geritt... pardon, gebissen hatte?

Zu weit hinten oder auch mal zu dumm

Andreas Ottl? Es war sein erstes Profijahr. Und um das träge Spiel der Bayern zu beschleunigen, hätte er von seiner Sechser-Position aus erst die tiefen Krater umdribbeln müssen, die die Füße eines Michael Ballack hinterlassen haben.

Stephan Fürstner? Er hatte seinen ersten und einzigen Einsatz am 32. Spieltag in Gladbach. Beim Stand von 1:1 bekam er drei Minuten vor Spielende die Chance, eine verkorkste Bayern-Saison ganz alleine irgendwie vergessen zu machen?

Julio dos Santos? Missverständnisse gibt es immer wieder mal...

Christian Lell? Um eine Mannschaft führen oder wenigsten entscheidend prägen zu können, muss man über spielerische Intelligenz verfügen. Dass es bei Lell am Spielerischen hapert, hat er bereits in Köln bewiesen. Angetrunken die eigene Freundin auf offener Straße zu verprügeln und danach die Polizisten des Geld-Diebstahls zu bezichtigen, zeugt von enorm hoher Selbstüberschätzung eines Fußballers, der gerne Profi wäre, dem dazu aber eben die Intelligenz fehlt.

Die Konstante „Kahn“

Phillip Lahm? Zugegeben, der kleine Linksverteidiger kann mehr, viel mehr. Er hatte es aber auch nicht leicht, musste er doch dauernd einen ziellos umher irrenden Daniel van Buyten einfangen und zurück an dessen angestammte Position geleiten, wie ein Blindenhund sein Herrchen.

Mats Hummels? Er verspielte seine einzige Chance wohl leichtfertig am letzten Spieltag als er in der 52. Minute in die Scholl-Gala eingewechselt wurde. Gegner? Gegner war..äh..Gegner...war Mainz!

Andreas Görlitz? Tja, das Kreuz mit dem Knie. Die einzige Chance des Rechtsverteidigers war nicht auf dem Platz zu finden, sondern in den Künsten der medizinischen Abteilung des Rekordmeisters.

Michael Rensing? Der einzige Jung-Profi der Bayern, der seine wenigen aber dafür umso verantwortungsvolleren Chancen stets bravourös genutzt, aber dennoch nie eine richtige bekommen hat. Sein „Chancentod“ heißt Oliver Kahn. Die medizinische Abteilung tüftelt gerade zusammen mit der TU München an einem orthopädischen Gehbock, der den Benutzer in seiner altersschwachen Statik stabilisiert, ohne dabei auf Arme und Hände angewiesen zu sein. Die Forschungen machen Fortschritte. Kahn verlängerte deshalb soeben bis 2018. Rensing wird resignieren und Frank Rost beim HSV beerben. Das wird die Chance für Bernd Dreher beim FCB...

Altes muss sich erst bewähren

Nun soll in der kommenden Saison also wieder mal alles besser werden an der Isar. Die Jungen haben's vergeigt, deshalb unterschreibt nun auch ein 30-jähriger kluger Toni einen hoch dotierten Vierjahresvertrag beim Rekordmeister.

Man muss die Bayern nicht immer verstehen. „Sie san nun mal sie.“

„Das Glück besteht nicht in großen Erfolgen oder in der Sicherung des einmal Erreichten. Das Glück besteht allein in der Pflichterfüllung und darin, dass man zu dem steht, was man für richtig hält, auch wenn man dabei unterliegt.“

Nein, nicht Hoeneß 2007. Wieder Adenauer, 1962...

Tilmann Decker (5/07)

Pressekontakt:
Hans Leger
Celen & Leger GbR
Telefon 0 71 58 / 94 70 74
eMail: E-Mail

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