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Österreichisches Strafgesetzbuch zum Teil europarechtswidrig – Beschwerde nach Brüssel

31.03.200820:44 UhrPolitik, Recht & Gesellschaft

(openPR) Es ist bereits in zivil- oder strafrechtlichen Angelegenheiten eine schwierige Frage, was zu tun ist, wenn Behörden eines Mitgliedstaats der EU das Europarecht nicht kennen und/oder falsch anwenden. Fatal wird dies, wenn Strafverfolgungsbehörden aufgrund einer europarechtswidrigen Norm des nationalen Strafgesetzbuches tätig werden. Wie überzeugt man einen Staatsanwalt davon, dass „sein“ oder „ihr“ Recht falsch ist? Und was tut man im konkreten Verfahren? In der Theorie gibt es für solche Fragen das sog. „Vorabentscheidungsverfahren“, mit dem das nationale Gericht sich mit einer Frage an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg wenden kann. Nur – ob das Gericht eine solche Frage stellt, dies steht alleine im Ermessen des Gerichts selbst; eine Möglichkeit, das Gericht zur Vorlage „zu zwingen“, gibt es nicht. Hält das Gericht es nicht für nötig vorzulegen, so entscheidet es und es bleibt dem Bürger das – häufig vergebliche – Hoffen auf die zweite Instanz. Legt auch diese nicht vor, so ist das Verfahren zumeist beendet und es bleibt nur die äußerst vage Aussicht auf einen Schadenersatzprozess.



Diesen traurigen Zustand hat unser Büro im konkreten Fall gerade noch abwenden können. Der Haftbefehl war gegen einen ungarischen Bürger ausgestellt und nannte als Begründung den sog. „grenzüberschreitenden Prostitutionshandel“, § 217 des österreichischen Strafgesetzbuches. Dessen Absatz 1 bestimmt, dass wer eine Person aus einem anderen Staat zur Prostitution anwirbt oder sie dieser zuführt, mit einer Haftstrafe von bis zu 10 Jahren zu rechnen hat. Hintergrund dieser Norm ist das – sehr begrüßenswerte – Auftreten der UN und der EU gegen den internationalen Menschenhandel, eine besonders widerwärtige Form des organisierten Verbrechens, bei der zumeist Frauen in andere Länder verbracht und dort häufig zur Prostitution gezwungen werden. So gerechtfertigt das Vorgehen gegen diese Verbrechen ist, so unzulässig ist es, hierbei „über die Stränge“ zu schlagen und mit einem derart hohen Strafmaß – bis zu 10 Jahren - auch solche Taten zu bedrohen, bei denen die Betroffenen tatsächlich aber weder betrogen, noch genötigt, noch mit Gewalt noch mit sonstigen Mitteln zur Prostitution oder überhaupt in das andere Land gebracht werden, sondern dort freiwillig hingehen, weil sie dort besser verdienen – in vielen Ländern inzwischen ganz legal im Übrigen, mit Gesundheitsschein, Steuerkarte und allem, was andere Berufe auch verlangen. Diese Tathandlungen – Anwendung oder Androhung von Gewalt, arglistige Täuschung oder Betrug, Missbrauch von Macht oder Gewährung von Zahlungen an Personen mit Machtbefugnissen über die Betroffenen – sind aber auch die Voraussetzungen des Europäischen Rahmenbeschlusses der EU vom 19. Juli 2002 (2202/629/JI) für das Vorliegen des Menschenhandels bzw. der Irrelevanz des Einverständnisses des – erwachsenen – Opfers. § 217 des österreichischen StGBs verlangt aber anders als etwa das deutsche StGB nicht das Vorliegen einer dieser Tatbestandsmerkmale, sondern nimmt als Anknüpfungspunkt nur die Tatsache, dass das „Opfer“, welches unter Umständen vollständig freiwillig handelt, aus einem anderen Staat stammt. Dadurch werden aber ausländische Teilnehmer an dieser Prostitution – also im Grunde: die Zuhälter – wesentlich schlechter gestellt als einheimische, denn die ausländischen Prostituierten gelangen ja zumeist nur unter Hilfestellung ihrer „Aufpasser“ überhaupt erst in die ausländische Szene. Österreichische Zuhältern droht nach § 216 StGB dagegen im Falle des gewerblichen Betreibens dieses Gewerbes „nur“ eine Strafe von 3 Jahren – im Vergleich zu 10 Jahren für Nicht-Österreicher. Eine solche Schlechterstellung von Ausländern ist aber nach Art. 12 des EG-Vertrags – dem allgemeinen Diskriminierungsverbot – ausdrücklich nicht gestattet.
Wie eine derart krass falsche Norm dennoch bis in das österreichische Strafgesetzbuch gelangen konnte, ob dies bis heute noch niemanden aufgefallen ist, und – das möglicherweise Schlimmste: - wie viele Ausländer bis heute aufgrund dieser Norm verurteilt worden sind und langjährige Haftstrafen absitzen müssen, ist uns nicht bekannt.

Im konkreten Fall blieb dieses Schicksal dem Mandanten unseres Büros erspart, da der Verdacht der Staatsanwaltschaft ausgeräumt werden konnte. Dennoch haben wir uns entschlossen, die Europäische Kommission im Wege einer Beschwerde auf diesen Missstand hinzuweisen, um in Zukunft Verurteilungen aufgrund dieser unzulässigen Norm zu verhindern. Hierbei geht es selbstverständlich nicht darum, Zuhälterei zu ermöglichen. Es geht nur darum, schwere Ungleichbehandlungen von Menschen zu verhindern, die nur darauf beruhen, dass der Betreffende Ausländer ist. Dies geht auch in Österreich mehr als zehn Jahre nach dem Beitritt zur EU nicht mehr. Es bleibt zu hoffen, das sich die EU-Kommission in Brüssel dieser Sache schnell annimmt und Fehlurteile bis dahin durch im Europarecht kundige Strafverteidiger verhindert werden können.

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