(openPR) Eltern, deren Kinder in städtischen Kindertagesstätten in Stuttgart betreut werden, sind massiv vom seit neun Wochen andauernden Streik betroffen. Verdi trage den Arbeitskampf auf dem Rücken von Kindern und erwerbstätigen Eltern aus, moniert der Verband berufstätiger Mütter vbm. Die Zumutbarkeitsgrenze sei überschritten, finden viele Mütter, die sich Sorgen um das Wohl ihrer Kinder sowie ihr Ansehen am Arbeitsplatz machen. Können Eltern die zusätzlich entstandenen Betreuungskosten der Stadt in Rechnung stellen?
Stuttgart (eos) – In Stuttgart geht der Streik der städtischen Angestellten in die zehnte Woche. Besonders betroffen: die Kindergärten und -tageseinrichtungen. Zeigten viele Eltern zu Beginn des Streiks noch Verständnis für den Ausstand, so sind inzwischen fast alle Sympathien für die Verdi-Maßnahmen verpufft. Auch für den Verband berufstätiger Mütter vbm ( www.berufstaetige-muetter.de ) ist das Maß voll: „Dieser Arbeitskampf wird auf dem Rücken von Kleinkindern und berufstätigen Müttern ausgetragen“, sagt Eike Ostendorf-Servissoglou, Regionalstellenleiterin des vbm in Stuttgart. „Für beide kann das gravierende Folgen haben.“ Gerade die Ein- bis Dreijährigen litten besonders unter der oft improvisierten Betreuungssituation und vermissten die vertrauten Bezugspersonen und gewohnten Abläufe.
Bei den Arbeitgebern der Mütter verfestige sich die sowieso bereits vorherrschende Ansicht, dass Frauen mit Kindern unzuverlässige Arbeitnehmerinnen seien, die aus familiären Gründen häufig fehlten. „Die bestehenden Strukturen behindern die Berufstätigkeit von Müttern ohnehin schon. Hier zusätzliche Hindernisse aufzubauen, ist kontraproduktiv und verhindert jegliche Solidarität mit den Streikenden.“ Außerdem, so befürchtet der Verband, führe die Aktion zu einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Erziehungspersonal und Eltern. „Was jetzt seit über zwei Monaten kaputtgeht, wird nur sehr langsam wieder zu kitten sein“, lautet die Einschätzung einer betroffenen Mutter.
In einigen Kitas mussten Eltern bereits für 14 komplette Tage eine Ersatzbetreuung organisieren. Die Mutter eines Kindes, das die Kita in der Felix-Dahn-Straße in Stuttgart-Degerloch besucht, die bislang an neun Tagen ihre Tore schloss, beklagt: „Das geht an den Kindern nicht spurlos vorüber. Viele der Kleinen, die bereits trocken waren, nässen jetzt wieder ein.“ Die Kinder vermissten ihren gewohnten Rhythmus und die bekannte Umgebung. Das bestätigt auch Susanne Ocker de Cárdenas, die ihre drei- und fünfjährigen Kinder in der Notfallbetreuung der gewohnten Einrichtung auf dem Fasanenhof untergebracht hat. „Die Große ist zufrieden, wenn ihre Freunde mit da sind. Um die Kleine mache ich mir jedoch Sorgen. Sie geht in der Masse der Kinder, die in der jetzigen Situation von nur einer Erzieherin betreut werden, unter. Ich gehe morgens mit einem sehr mulmigen Gefühl zur Arbeit.“ Die Mutter machte ihrem Ärger bereits in einer zornigen E-Mail an die Gewerkschaft Luft. Eine Antwort erhielt sie darauf nicht.
Neben dem Stress, den die fortwährend kurzfristig zu organisierende alternative Betreuung für die Eltern bedeutet, entstehen häufig nicht unerhebliche Kosten. „Nicht jeder hat Großeltern in der Nähe, die unentgeltlich einspringen“, beklagen viele. Die von der Stadt in Aussicht gestellt halbe Monatsgebühr, die den Eltern zurückerstattet werden soll, deckt gerade einmal die Ausgaben für einen Tag teurer Einzelbetreuung. Den Verband berufstätiger Mütter interessierte daher, ob Eltern sich die Gelder bei den Kommunen zurückholen können. „Schließlich besteht ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung“, sagt Ute Steinke vom Bundesvorstand des vbm in Köln. Sie fragte bereits mehrfach beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Berlin an und bat um Rechtsauskunft. Sie bekam jedoch keine Antwort. „Das Thema scheint heikel zu sein. Wahrscheinlich hätten Eltern eine Chance, wenn sie den Rechtsweg beschritten“, vermutet der Verband.