(openPR) Frankfurt am Main, 30.10.2007 - Erstmals berichtet ein COPD-Patient, bei dem im Juli 2007 als zweiter solcher Patient in Europa eine arteriovenöse Fistel hergestellt wurde, von seinem Krankheitsverlauf seit der Operation. Vorher konnte er ohne Sauerstoffgerät nicht leben. Heute spricht er von "einem Wunder". Das Interview mit ihm und seinem Arzt ist unten zu lesen.
Bei vielen Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) wird das Leben immer beschwerlicher, weil die eigene Atmung für den Alltag kaum mehr ausreicht. Oft benötigen sie in den späten Stadien ständige Behandlung mit Sauerstoff. Millionen Menschen in Deutschland allein leiden an einer solchen COPD, die zwar oft mit dem Rauchen zusammenhängt, aber auch andere Ursachen haben kann. Doch eine neue, minimal-invasive Technik verspricht Linderung. Mittels eines kleinen Zugangs über die Leiste werden in örtlicher Betäubung eine Arterie und eine Vene im Unterleib miteinander verbunden — arteriovenöse Fistel genannt — um Blut zurück in die Lungen zu leiten und es dort weiter mit Sauerstoff anzureichern. Das steigert die Herzleistung, und die Versorgung des Körpers mit dringend nötigem Sauerstoff wird verbessert.
Das CardioVasculäre Centrum Sankt Katharinen (CVC) in Frankfurt am Main ist die erste Institution in Europa (und die zweite weltweit), die diese Eingriffe durchführt. Der Kardiologe Prof. Dr. Horst Sievert, Chefarzt des Centrums, hat am 19. Juli 2007 bei Manfred Schuchna, einem 58-jährigen Gastwirt und Koch aus Ehningen bei Böblingen eine arteriovenöse Fistel hergestellt. 14 Wochen nach dem Eingriff kommt Schuchna ins CVC und beantwortet Fragen zu seinen Erfahrungen mit COPD, dem Eingriff zum Anlegen der Fistel und seiner dadurch zurück gewonnenen Lebensqualität.
EIN GESPRÄCH MIT DEM PATIENTEN MANFRED SCHUCHNA
Herr Schuchna, wie lange leben Sie schon mit Lungenproblemen?
Ich erzähle Ihnen mal meine Geschichte. Es hat vor zirka vier Jahren angefangen. Im August vor vier Jahren war ich in Kroatien am Meer. Da habe ich ein Haus. Mein Haus ist vielleicht 30 Meter vom Meer, aber es geht so einen kleinen Buckel hoch. Abends sind wir einmal zum Essen ausgegangen und kamen gegen 11 Uhr nach Hause. Ich habe keine Luft mehr bekommen, ich musste Pausen machen, denn die Treppen habe ich nicht mehr geschafft.
Ich habe schon vorher versucht, das Rauchen aufzugeben, habe Kurse mitgemacht und so weiter. Aber damals in Kroatien habe ich gesagt: „Jetzt ist Schluss – und wenn ich hier sterben muss – aber ich gebe das Rauchen jetzt auf!“ Die Zigaretten habe ich weggeschmissen und seit vier Jahren rauche ich nicht mehr.
Trotzdem wurde es schlimmer?
Es ist immer schlimmer geworden. Dann bin ich zu meinem Lungenfacharzt gegangen und er hat mich dieses Jahr im Februar ins Krankenhaus nach Schönau im Berchtesgadener Land überwiesen, zu einem Dr. Kenn. Die haben mir dort eine Dauertherapie von Sauerstoff verordnet, also 24 Stunden.
Was heißt 24 Stunden?
Ich habe ein tragbares Sauerstoffgerät bekommen. Das habe ich zwar immer noch, aber in letzter Zeit brauche ich es ganz selten.
Also 24 Stunden am Tag hatten Sie Gerät dabei…
Hatte ich, ja. Und nachts dazu noch ein Gerät mit einer Maske, wegen der Schlafaussetzer. In Schönau haben sie mir gleich gesagt: „Herr Schuchna, die Krankheit wird nicht besser. Im Gegenteil, sie wird jedes Jahr schlechter.“
Was hat das für Sie bedeutet, als Sie das gehört haben?
Das hieß, ich kann mein Geschäft nicht mehr ausüben. Ich müsste aufhören, in meinem Restaurant zu arbeiten. Meine Tochter hat es einstweilen weitergeführt und ich konnte immer nur ein paar Stunden arbeiten, wenn überhaupt.
Bei der Entlassung in Schönau haben sie mir gesagt, es gebe eine Studie, die in Frankfurt gemacht wird – womit sie das hier meinten – und ich solle mich dafür bewerben, aber ich hätte noch Übergewicht. Ich solle noch abnehmen. Aber das ist schwer, besonders wenn man keine Luft hat!
Aber Sie sind zur Studie angenommen worden.
Ja, gut 2 - 3 Kilo habe ich abgenommen und dann habe ich meine Unterlagen an Dr. Kardos geschickt, der in der Studie mitwirkt. Dann kam ich zur Untersuchung, ob ich für die Studie geeignet bin. Ich habe mich sehr gefreut und Dr. Sievert hat mich im Juli operiert.
Wie war der Eingriff; schmerzhaft?
Ich konnte das am Bildschirm miterleben…
…also Sie waren bei Bewusstsein…
Ich war bei vollem Bewusstsein und habe das auf dem Bildschirm miterlebt. Es hat nur ein Bisschen wehgetan, als er geschnitten und gedrückt hat. Ein paar Sekunden – das kann man aushalten, den Schmerz. Es ist ganz gut verheilt. Ich sehe gar keine Narbe, und merke eigentlich gar nicht, was in meiner Leiste ist.
War der Unterschied zu vorher groß? Sie wirken jetzt sehr gesund.
Sie haben mir von vornherein gesagt, es dauert etwa sechs Wochen bis die Wirkung eintritt. Bei mir kam es erst so langsam nach sieben Wochen. Und jetzt kann ich sagen, es ist im Vergleich zu vorher 100 Prozent besser.
100 Prozent?
Sagen wir es mal so… ich kann den ganzen Tag ohne extra Sauerstoff; ich brauche mein Gerät nicht mitzuschleppen. Ich kann wieder aus dem Keller Bierkisten hoch tragen, für das Geschäft. Das konnte ich vorher gar nicht mehr machen. Ich kann wieder voll meine Arbeit machen, also 8, 9, manchmal 10 Stunden am Tag. Ich muss sagen, wenn es so bleibt wie es jetzt ist, bin ich sehr zufrieden – Dank Prof. Sievert. Auch in meinem Bekanntenkreis merken es die Leute. Sie fragen: „Manfred, Du hast ja gar kein Sauerstoffgerät mehr, was ist los mit Dir?“ Dann sage ich: „Ich bin geheilt.“
Das wird die Studie natürlich mit der Zeit zeigen, wie vielen Leuten es so ergeht wie Ihnen und wie sich das bei den Patienten langfristig auswirkt.
Herr Prof. Sievert hat mir damals im Juli bei der Operation gesagt, ich wäre der Zweite hier in Deutschland. Und ich muss sagen, bei mir hat es gewirkt.
Würden Sie, aufgrund Ihrer Erfahrungen, anderen Patienten mit ähnlichen Beschwerden diesen Eingriff empfehlen?
Auf jeden Fall! Der Unterschied ist wie Tag und Nacht. Ich war schon so deprimiert, weil ich nichts mehr machen konnte. Ich habe mich praktisch – nicht auf den Tod vorbereitet – aber auf eine sehr unschöne Zukunft. Dass es doch nicht so kam, das ist für mich ein Wunder.
Herr Schuchna bestand nach Ende des Interviews ausdrücklich darauf, seinen Dank gegenüber Prof. Sievert, Prof. Kenn und Prof. Kardos an dieser Stelle zum Ausdruck zu bringen.
EIN PAAR FRAGEN AN DEN DURCHFÜHRENDEN ARZT DR. PROF. MED. HORST SIEVERT
Herr Professor Sievert, was unterscheidet die arteriovenöse Fistel von anderen Behandlungs-möglichkeiten bei fortgeschrittenem COPD?
Viele dieser zum Teil schwer kranken Patienten haben eigentlich gar keine Behandlungsalternativen. Die medikamentöse Therapie ist ausgereizt und größere Eingriffe wie lungenchirurgische Maßnahmen oder gar eine Lungentransplantation kommen ja nur bei jüngeren Patienten in Betracht. Die Anlage der Fistel ist ein vergleichsweise relativ kleiner Eingriff.
Wie lange dauert der Eingriff?
Ungefähr 45 Minuten, dann kann der Patient den Katheterraum schon wieder verlassen.
Entsteht kein Risiko für den Patienten wenn eine Arterie und eine Vene zusammengelegt werden?
Das Herz muss natürlich mehr Arbeit leisten. Aber das ist ja auch das Ziel der Behandlung: Das Herz soll mehr leisten, um damit die verminderte Leistungsfähigkeit der Lunge zu kompensieren. Und wenn das Herz gesund ist, kann es diese zusätzliche Arbeit leicht verkraften. Selbstverständlich muss jeder Patient vor dem Eingriff kardiologisch untersucht werden.
Führt der Eingriff zur Heilung?
Nein, das leider nicht. Die Lungenerkrankung als solche bleibt ja bestehen. Aber die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff wird verbessert. Im Einzelfall gibt es natürlich keine Erfolgsgarantie und nicht alle Patienten berichten über eine so eindrückliche Besserung wie Herr Schuchna.
Hat diese Neuerung das Potenzial, vielen Menschen mit Lungenleiden weltweit ein längeres und besseres Leben zu ermöglichen?
Ja, wenn sich unsere bisherigen Ergebnisse weiter bestätigen.