(openPR) Mit Beschluss vom heutigen Tag - 4 B 72/06 - hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts entschieden, dass ein Sozialhilfeträger verpflichtet ist, den Eigenanteil an Schülerbeförderungskosten für Behinderte zu übernehmen, wenn diese Kosten notwendigerweise durch die Behinderung entstehen.
Die Klägerin ist hochgradig schwerhörig und besucht eine Schule für Schwerhörige. Diese befindet sich 40 km von ihrem Wohnort entfernt in Chemnitz. Wegen ihrer Behinderung konnte die Klägerin keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen und musste mit einem Sammeltaxi zur Schule gebracht und wieder abgeholt werden. Nach der Schülerbeförderungssatzung der Stadt Chemnitz beträgt der Eigenanteil für die Schülerbeförderung 92,- €/Monat, maximal 920,- € im Schuljahr. Eine Erstattung des Eigenanteils lehnte der Landkreis Mittweida als für die Klägerin zustehender Träger der Sozialhilfe ab.
Nach Auffassung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts besteht ein sozialhilferechtlicher Anspruch auf Übernahme des Eigenanteils der Beförderungskosten im Rahmen der sog. Eingliederungshilfe. Auch sozialhilferechtlich habe ein Behinderter Anspruch auf angemessene Schulbildung. Fehle es an einer wohnortnahen Schule, so dass täglich Fahrten zu einer entfernt gelegenen Schule erforderlich seien, für deren Kosten der Schulträger nicht aufkommen, handele es sich bei diesen Kosten um einen behinderungsbedingten Aufwand, der von der Sozialhilfe zu übernehmen sei. Dieser Aufwand werde dem Betroffenen durch seine Behinderung gleichsam aufgezwungen. Deshalb sei er Teil der sozialhilferechtlichen Eingliederung. Ob der Eigenanteil vom Schulträger zu Recht festgesetzt worden sei, spiele für den Erstattungsanspruch des Behinderten gegenüber dem Sozialhilfeträger keine Rolle. Ein Streit zwischen dem Schulträger und dem Sozialhilfeträger könne nicht auf dem Rücken des Behinderten ausgetragen werden. Wenn der Behinderte einen tatsächlichen Bedarf habe, weil der Schulträger von ihm den Eigenanteil fordere, müsse der Sozialhilfeträger diesen Bedarf decken.
Gegen diese Entscheidung - mit der ein Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 14.7.2005 - 5 K 1650/03 - bestätigt wurde, hat der Senat die Revision nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung kann binnen eines Monats ab Zustellung des Urteils Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden.
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